Das Behindertentestament – Sicherung des Erbes behinderter Kind

1. Das Behindertentestament ist eine letztwillige Verfügung zugunsten eines Menschen mit Behinderung.

Ziel des Behindertentestamentes ist die Zuwendung von Nachlasswerten an das auf Sozialhilfeleistungen angewiesene, behinderte Kind. Dem behinderten Kind soll auch nach dem Tod der Eltern ein Leben über dem Sozialhilfesatz ermöglicht werden, ohne dass der Träger der sozialen Leistung vorab den Einsatz des Erbes verlangen kann. Bei Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen ist grundsätzlich lediglich ein Vermögenswert i. H. v. insgesamt aktuell 2.600,00 € geschützt. Sobald dieser Freibetrag überschritten wird, muss das behinderte Kind sein eigenes, daher auch ererbtes Vermögen einsetzen.
In Anbetracht der erheblichen Kosten einer geeigneten Unterbringung für das behinderte Kind von nicht selten bis zu 4.500,00 €/Monat lässt sich ausrechnen, dass selbst hohe Nachlasswerte in relativ kurzer Zeit verbraucht sind, ohne dass das Kind hiervon für sich selbst einen praktischen Nutzen oder Mehrwert hat. Für den Erhalt des Nachlasses sowie eine Zuwendung an das Kind ohne Zugriff des Leistungsträger werden verschiedene Lösungsmodelle angewandt, die individuell erst nach Abwägung sämtlicher Vor- und Nachteile sowie ausführlicher, fachkundiger Beratung geprüft werden müssen.
a) Die sog. Vermächtnislösung

Im Rahmen der sog. Vermächtnislösung wird das behinderte Kind enterbt und lediglich mit einem sog. Vorvermächtnis bedacht, das wertmäßig seinen Pflichtteil, d. h. die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils übersteigt.

b) Vor- und Nacherbschaftslösung

Die Vor- und Nacherbschaftslösung, oft als klassisches Behindertentestament bezeichnet, sieht die Erbeinsetzung des Kindes auf Lebenszeit als sog. nicht befreiter Vorerbe zu einer Erbquote vor, die über seiner Pflichtteilsquote liegen muss. Der sog. Vorerbe kann das ihm zugewandte Erbe wegen der gesetzlichen Beschränkungen nur eingeschränkt verwerten. Aus Sicht des Sozialhilfekostenträgers stellt das Vorerbe daher keinen nach § 90 SGB XII zu verwertendes Vermögen dar. Die Anordnung von Testamentsvollstreckung in Verbindung mit der Verwaltungsanordnung bzgl. des Vorerbes soll sicherstellen, dass die an den Vorerben geleisteten Gelder ausschließlich in Sachleistungsform zufließen.

2. Das Behindertentestament findet naturgemäß bei den Trägern der sozialen Leistungen keine Zustimmung. Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber wiederholt die rechtliche Wirksamkeit von Behindertentestamenten bejaht und die Sittenwidrigkeit eines solchen Testaments wiederholt verneint, zumal „Eltern auf diese Weise gerade der zuvorderst Ihnen zukommenden, sittlichen Verantwortung für das Wohl ihres Kindes Rechnung tragen und nicht verpflichtet sind, diese Verantwortung dem Interesse der öffentlichen Hand an einer Teildeckung ihrer Kosten hintan zu setzen.“. Es bleibt, auch in Anbetracht der Kritik am Behindertentestament, abzuwarten, ob der Gesetzgeber hier gegebenenfalls in die bestehende Praxis regulierend eingreifen wird. Dies ist bisher aufgrund der gefestigten Rechtsprechung aber nicht absehbar.

Eine Sittenwidrigkeit dürfte aber gegebenenfalls in den relativ seltenen Fällen zu bejahen sein, in denen schon die Erträge, die dem behinderten Kind als Vorerbe zugewandt werden, ausreichen, die vom Träger der sozialen Leistung erbrachten Aufwendungen abzudecken.

3. Bei der Errichtung des sog. Behindertentestaments sind verschiedene Problemstellungen zu beachten. Dazu gehören insbesondere die Pflichtteilsstrafklausel beim ersten Erbfall, die Auswahl des Testamentsvollstreckers sowie lebzeitige Zuwendungen an die nichtbehinderten Kinder und eine nicht zu niedrige Erbquote sowie die Ausschlagung trotz Behindertentestaments.

Eine erfolgreiche Regelung der Nachfolge in das Vermögen von Eltern behinderter Kinder macht daher eine ausführliche, fachkundige Beratung und Planung notwendig, nur so kann gewährleistet werden, dass das behinderte Kind auch tatsächlich einen Nutzen von der Zuwendung hat und der Nachlass nicht ausschließlich für reine Unterbringungskosten gezählt wird.

Wenn Sie weitere sachkundige Hilfe benötigen, empfehlen wir Ihnen eine Erstberatung.

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